Romeo und Julia im Fehntjerland
Nach einer ostfriesischen Dorfchronik
Theaternovellen Band 3 von 3 in dieser ReihePaperback
118 Seiten
ISBN-13: 9783756828593
edition lichtblick, oldenburg / BoD
Erscheinungsdatum: 02.12.2022
Sprache: Deutsch
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Erhard Brüchert
Erhard Brüchert - bekannter, niederdeutscher
Autor von historischen Freilichtstücken in Ostfriesland und Oldenburg
erzählt hier vier seiner Werke auf Hochdeutsch nach. Der zweisprachige
Autor und frühere Geschichtslehrer lässt dabei wichtige,
regionalgeschichtliche Ereignisse im Nordwesten in dramatischer und
literarischer Sprache, novellenartig lebendig werden.
Hier eine Besprechung von Prof. Dr. Eberhard Ockel, Uni-Vechta
Der
bekannte, und man darf wohl sagen, einschlägig prominente Autor von
plattdeutschen Theaterstücken und – neuerdings – Novellen hat
mal wieder zugeschlagen und glaubhaft das Shakespeare-Motiv der
verhinderten Liebe zwischen verfeindeten Familien abgewandelt und in
die reichen Moorniederungen von Ostfriesland verlegt.
Der
reichlich verwickelte dramatische Handlungsablauf entzündet sich an
der Konkurrenz zwischen zwei mittlerweile zusammengelegten Dörfern,
Hatshausen und Ayenwolde, die begreiflicherweise nur die Angst vor
einer Sturmflut (81ff) eint.
Zur Zeit ihrer preußischen
Regierung entzündet sich ein Konflikt zwischen den beiden Dörfern
an der Frage, ob ihre Kirchen erhaltenswert sind, und welche von
beiden renoviert und welche abgerissen werden soll. Der finanzielle
Zuschuss von der Auricher Regierungsbehörde reicht nur für eine
Kirche.
Der eigentlich rationale Beschlussvorschlag, der
verständlicherweise von den Regierungsvertretern verkündet wird,
sieht vor, die eher baufällige ältere Kirche in Ayenwolde
abzureißen und die noch relativ gut erhaltene in Hatshausen zu
renovieren. Aber natürlich reagieren die Gemeindemitglieder
keineswegs rational: Sie überlegen, wie sich beide Kirchen retten
lassen und wollen nicht einmal das finanzielle Argument gelten
lassen. Die Liebe zwischen Hilke und Frerich bekommt allerdings schon
einen Riss.
Die zentralen Figuren des Dramas sind Hilke
Bünting, die Tochter des reichsten Landwirts in Ayenwolde, und der
neu ernannte und hochgeachtete Mester Frerich Edzards an der neuen
Schule in Hatshausen. Leider bleiben die Figuren holzschnittartig,
weil es dem Autor nicht gelingt, Ihnen glaubhafte individuelle Züge
zu verleihen.
Aber was hervorragend gelingt und ja von jedem
Leser sicherlich als zeitlos aktuell wiedererkannt werden kann: wie
in einer kleinen Gemeinschaft Gerüchte entstehen und sich in
Windeseile verbreiten, vor allem, wenn sie unter dem Siegel der
Verschwiegenheit mitgeteilt werden. Es macht richtig Spaß, der
Information über die geheimen Treffen der beiden von Person zu
Person nachzuspüren. Dabei empfinde ich die Erfindung der beiden
älteren kinderlosen reichen Frauen Taalke und Alberdine (34ff) als
ausgesprochen gelungen: Sie bedienen ein ohnehin verbreitetes
Klischee und bringen ein zusätzliches eigensüchtiges
Spannungselement in den Kirchenkonflikt.
Auch das Dilemma in
Hilke zwischen der Liebe zu Frerich und ihrer familiären
Zugehörigkeit zu Ayenwolde wird deutlich (79ff; 89f).
Nachdem
ein Entführungsversuch der besonders klangvollen Ayenwolder Glocke
gescheitert und diese im Sumpf unwiederbringlich versunken ist, eine
Sturmflut auch die Hatshausener Kirche schwer beschädigt hat, ist
der Konfliktstoff für eine neue Kirche wesentlich verringert.
Das
Glockenpech, die neue Kirche und ihre geniale Position auf der
Dorfgrenze versöhnen die Dörfer miteinander; die Lektüre legt den
heute – offenbar (?) – vollzogenen Zusammenschluss nahe.
Und
versöhnlich klingt die Geschichte mit der 50-jährigen
Jubiläumsfeier für den Mester aus, der noch ein Erinnerungsgespräch
mit seiner Jugendliebe führt, wobei sich herausstellt, dass die
älteste Tochter von Enno Wiemken und Hilke Bünting eigentlich von
Frerich stammt.
Auf der letzten Seite wird der Autor ausführlich
vorgestellt (117).
Schade, dass in einer Theaternovelle nicht
die handelnden Personen in einer Übersicht vorgestellt werden. Man
merkt an kleinen Ungenauigkeiten, dass der Autor selber Probleme hat,
Übersicht zu behalten. Sein Erzähltalent ist ausbaufähig, obwohl
man seiner Handlungsführung gerne folgt. Sie beweist seine
Theatererfahrung.
(Prof. Dr. Eberhard Ockel, Uni-Vechta)
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