Synopsis der „Trilogie der Projektion“
(Nicolaus Bornhorn)
Im
ersten Band, „Am Scheideweg“, müssen oder wollen die Protagonisten
Entscheidungen treffen, die für sie existentiell sind und ihren weiteren
Lebensweg entscheidend beeinflussen.
Das Cover des Bandes zeigt eine
Landschaft in Ungarn, in der eine Weggabelung zwei Routen vorschlägt.
Eigentlich müsste an dieser Gabelung eines dieser fiktiven Schilder stehen, auf
denen angezeigt wird: WILHELMSHAVEN ...Kilometer, BERLIN...km, SYDNEY...km. Nur
stünde auf diesen Schildern: MOSKAU...km,
MARSEILLE...km.
Der Zwiespalt zwischen diesen beiden Zielorten strukturiert die erste Erzählung
des Bandes, der Erzähler durchläuft verschieden Stadien eines Entscheidungsprozesses,
wobei ihm in gewissem Sinne die Entscheidung durch den Tod des Vaters
abgenommen wird, zumindest ist dies seine, passiv erfahrene, Interpretation der
Ereignisse.
In den beiden weiteren längeren
Erzählungen dieses Bandes, „Nostalghia“
und „Katalyse“, stehen Dreiecksbeziehungen im Fokus. In „Nostalghia“, das
Analogien zum gleichnamigen Film des russischen Regisseurs Tarkowski
entwickelt, entscheidet sich der Erzähler gegen ein Leben mit seiner Gefährtin;
statt dessen folgt er einem „spirituellen“ Weg, ein geheimnisvoller „Alter“,
ein Bildhauer, zieht ihn in seinen Bann.
In „Katalyse“ muss der Protagonist
erleben, wie die ersehnte Beziehung zu einer Frau von seinem besten Freund
sabotiert wird. Er übernimmt, im Nachhinein betrachtet, die Funktion eines Katalysators,
in dem Sinne, dass er wesentlich zur Knüpfung einer Beziehung beiträgt, die ihn
ausschließt. Die wahre Fadenzieherin ist die Frau, welche die Nähe zum Erzähler
und zu dessen Freundschaft mit dem „anvisierten“ Mann nutzt, um an ihr Ziel zu
gelangen: eine Beziehung, in der das Aufwachsen zweier minderjähriger Kinder
einen Rahmen findet. Die „Fadenzieherin“, von ihrer Ausbildung her
Psychoanalytikerin, nutzt die Wege des auch ihr letztlich verborgenen Wirkens
des „Unbewussten“, um das Netz zu spinnen, in dem der ersehnte neue Partner
sich „verfängt“.
Die kleine, eingeschobene Geschichte, „Das
Haus im Pinienwald“ berichtet von den Projektionen eines Malers, einer imaginären
Beziehung à la „Lolita“ zu einer jungen Frau, die noch halb Mädchen ist. Es
kommt zu keiner intimen Beziehung, vielmehr wird der Maler ein Abbild dieser
jungen Frau erstellen, nachdem er beim Abschied ein Foto von ihr „geschossen“
hat, das ihm als Vorlage dienen wird.
Der
zweite Band, „Am Äquator“, besteht ebenfalls aus drei Erzählungen, in denen -
vor dem Hintergrund unsteter Dauer, von An- und Abwesenheiten - eine innere
Dynamik beschrieben wird, die in allen drei „Fällen“ auf Trennung hinausläuft.
In der ersten Erzählung, die dem Buch
den Titel gibt, ist die Symmetrie zwischen weiblicher und männlicher Sicht
gewahrt. Anders gesagt: die beiden Protagonisten spiegeln einander, jede/r wird
dabei u.a. zur Projektionsfläche für den andern. Hinzu kommt, als wesentliches
Element, ein zeitweises, erotisches Verschmelzen, trennende Haut wird
durchscheinend. Im Hintergrund „läuft“ der Film „Der Nachtportier“, in dem ein
Paar, das sich unter den Bedingungen des Lagers kennenlernte, sich nach Jahrzehnten
durch Zufall wiedersieht und die damalige sado-masochistische Beziehung wieder
aufnimmt.
In der zweiten Erzählung“, Die
Geschichte von L.“, ist die Frau „pures Objekt“. Sie trägt daher den Namen „L.“,
gleichlautend mit dem französischen „elle“; somit ist sie namenlos, alle
Frauen, und keine (besondere). Der Erzähler sagt selbst gegen Ende, dass es ihm
darum gehe, die Kurve des Begehrens nachzuzeichnen, aufzu-zeichnen.
In der dritten Geschichte, „Der
Krieg...ist vorüber“, sorgen geographische Entfernung und verrinnende Zeit dafür,
dass der Erzähler die Geschichte in Rückblenden sieht. Immer stärker schält
sich die ihn umgebende Hafenstadt, seine Gegenwart, heraus, wird zum
dominierenden Eindruck.
„Ça
a été“ („Das ist gewesen“): so benannte Roland Barthes das für ihn wesentliche
Kennzeichen der Photographie. Die Erstarrung des Zeitflusses im Bild. Linguistisch
betrachtet hat das Perfekt in „Das ist gewesen“ die Präsens (=Anwesenheit) des
konjugierten Verbs, vereint mit der erstarrten Form des Partizips II.
Der
dritte Band , mit dem Titel „ÜberBlendung“, besteht aus drei Stücken, zwei „Sehstücken“ und einem „Hörstück“.
In den beiden Sehstücken - geschrieben in
Drehbuchform, also der beschreibenden Verbform des Präsens - kommt es nach
einer Krise/ Katastrophe zu einer Metamorphose und zu einem Neuanfang.
Das letzte Stück verläßt den Rahmen der
Projektion; es ist ein veritabler Dialog zwischen zwei Männern, mit offenem
Ausgang. Eine der Vorlagen dafür: „L’Entretien infini“ von Maurice Blanchot.
Ein Gespräch, das „irgendwo“ einsetzt und „irgendwo“ nicht aufhört, sondern
aussetzt.
Der
Regisseur Edgar Reitz sagt in einem Interview mit Frank M. Raddatz (Lettre
International Nr. 142, S. 99):
„Es
ist eine Binsenweisheit, dass der Film nicht auf der Leinwand stattfindet,
sondern in den Köpfen der Zuschauer. Die Projektionsfläche ist der einzelne
Kopf, die einzelne Netzhaut...Die Bilder sind nur die Haltepunkte, um
klarzumachen, dass wir es mit dem Leben zu tun haben und nicht nur mit Träumen.
Die Bilder verankern das Geschehen in der Wirklichkeit, und das Phantasiegeschehen
wird durch die Bilder in der realen Welt verortet.“